Hallo liebe Leute,
hier nicht nur mein vorerst letzter Artikel aus China sondern der wahrscheinlich auch traurigste und bewegenste von allen.
Es war am 12.Mai 2008, ein sonniger Nachmittag an einem Montag gegen 14 Uhr 29. Ich saß gerade auf der Couche und habe mir einen Film angemacht als das ganze Gebäude anfing zu wackeln und das Dach über mir knirschte. Keiner wußte, was passierte und alle rannten in Panik aus dem dritten Stock erstmal runter. Überall kam der Putz von der Decke, das ganze Gebäude und die Feuertreppe runter wackelten und von der Außenfassade sind die Ziegelsteine rausgebrochen. Wir standen mit ca. 15 Leuten im Erdgeschoß im Türrahmen um uns dort in Sicherheit zu bringen. Danach sind wir alle auf dei Straße gegangen und haben erfahren, dass es sich um ein schweres Erdbeben mit der Stärke 7.9 handelte.
Auch wenn es "nur" zwei Minuten waren, die eigentlich recht schnell vergehen, waren es in diesem Fall sehr lange 120 Sekunden. Ich möchte so etwas in meinem Leben nicht nocheinmal erleben.
Auf der Straße draußen in der Nähe des Hostels und in ganz Chengdu ist innerhalb kürzester Zeit absolute Panik ausgebrochen. Alle Menschen sind aus Angst raus aus den Gebäuden und erstmal ins Freie. Es wurden ganze Krankenhäuser aus Sicherheitsgründen erstmal evakuiert.
Über das ganze Ausmaß dieser Katastrophe konnte man an diesem Tag noch nichts sagen. Das komplette Telefonnetz war komplett überlastet und zusammengebrochen, es ging nichts mehr ! Die Menschen haben bei sich bei Hamstereinkäufen mit Wasser und Suppen erstmal eingedeckt.
Wirklich unangenehm wurde die ganze Angelegenheit dann erstmals am dritten Tag nach dem Erdbeben. In meiner Straße gibt es ein Outdoor-Geschäft, wo Chinesen stundenlang angestanden haben und auf Zelte gewartet haben, die dann später eingetroffen sind.
Ein Finne, der in meinem Hostel gewohnt hat, hat ein Foto gemacht, als die Zelte in einem Minibus angekommen sind. Ein paar Leute waren davon nicht so begeistert und wollten die Kamera haben und haben ihn angegriffen und bis ins Hostel verfolgt, wo sie allerdings nicht reingekommen sind, da wir mit mehreren Ausländern und anderen chinesischen Gästen in der Tür standen. Es kam dann fast zu einer Schlägerei allerdings war die Polizei sehr schnell vor Ort und hat die Situation nicht eskalieren lassen. Später haben wir rausgefunden, dass der Chinese, der den Ärger angefangen hat, mehrere Dutzend Zelte gekauft hat, um diese wahrscheinlich in der Stadt zu verkaufen. Zelte, die wenige Kilometer nördlich von hier dringend benötigt werden ! Er hatte wahrscheinlich nur ein schlechtes Gewissen und Angst, dass sein Gesicht irgendwo auftaucht und man mitbekommt, das er von der Angst und dem Leid der anderen Mitmenschen finanziell profitiert.
An den nächsten Tagen ging es dann für mich in Richtung Epizemtrum. Wir sind mit dem Bus ins nördlich von Chengdu gelegene Deyang und Mianyang gefahren.
In Mianyang leben die meisten Menschen zur Zeit auf der Straße in provisorisch aufgebauten Zelten, denn sie haben Angst in ihren eigenen, zum Teil beschädigten Häusern zu wohnen.
In diesen Zelten wohnen sie zu 10000enden und wollen laut eigenen Angaben, dort im schlimmsten Fall noch mehrere Wochen ausharren.
Gleichzeitig dient Mianyang zur Zeit als Anlaufstelle für Flüchtlinge aus den komplett zerstörten Gebieten um Wenchuan und Beichuan, d.h. es kommen unzählig viele Menschen in die Stadt geströmt, die in den Sportstadien erstmal untergebracht werden.
Gleichzeitg rollen von hier Transporte mit Hilfsgütern in die umliegenden Regionen.
Tausende Helfer sind hier im Einsatz und mehr als 100000 Soldaten der Armee.
Ich selber war auch im Jiuzhou Stadion von Mianyang, wo Flüchtlinge zur Zeit untergebracht sind und provisorisch notversorgt werden. Bei den Anblicken, die ich in meinem Leben nicht vergessen werde, habe ich allerdings keine Fotos gemacht.
Genau eine Woche nach dem großen Beben kam es dann auf dem Tianfu Squar in Chengdu um 14 Uhr 29 zu drei Schweigeminuten und zu einer anschließenden Trauerfeier.
Tausende Menschen haben sich hier versammelt um der unzähligen Toten zu gedenken und um den Angehörigen ihr Mitgefühl auszusprechen.
Ab diesem Tag herrschte in der gesamten Volksrepublik China drei Tage Staatstrauer und die Flaggen wurden auf Halbmast gesetzt.
Was sehr viel schlimmer als das Erdbeben war, waren die unzählig vielen Nachbeben in Sichuan. Es waren innerhalb einer Woche mehrere Tausend leichte bis mittelstarke Nachbeben, die die Menschen hier in Angst und Schrecken versetzt haben in Chengdu. Nördlich von Chengdu sind etliche Häuser dabei eingestürzt, mehr Menschen wurden getötet und ganze Bergungstrupps verschüttet.
Am Abend nach der Trauerfeier saß ich mit einem deutschen und einer Chinesin in einem Straßenrestaurant und habe gerade gegessen. Es war ca. halb elf abends als die Chinesin von ihren Eltern angerufen wurde, weil die sich Sorgen gemacht haben. Die Regierung hat im Fernsehen vor einem starken Nachbeben in der Nähe von Chengdu gewarnt und die Bürger der Stadt aufgefordert, sich in Sicherheit zu bewegen. Was das in einer 10-Millionen-Metropole bedeutet kann sich jeder vorstellen ! Absolute Panik und volle Straßen innerhalb weniger Minuten.
Wir sind dann erstmal ins Hostel zurück, haben die wichtigsten Sachen genommen und Udo, mein deutscher Freund, und ich haben dann erstmal eine Runde durch die Stadt gedreht.
Überall Menschen, die auf der Straße, in Autos oder in Zelten schlafen. Der Volkspark war komplett überfüllt. Die Menschen hatten zum Teil Angst, haben es aber, wie auf dem oberen Bild zu erkennen, mit Fassung getragen. Morgens um 4 Uhr kamen wir dann im Hostel wieder an, alles hat im Erdgeschoß geschlafen bzw. wurden Couchegarnituren auf die Straße getragen und es haben Leute im Freien geschlafen.
Das ist mein Bericht aus Chengdu vom großen Erdbeben am 12.mai und den Tagen danach. Tage und Bilder, die in sich in meinem Gehirn eingebrannt haben und ich nie in meinem Leben vergessen werde. Ich habe viele Erdbebennachrichten in den letzten Jahren gesehen, aber vor Ort ist es etwas ganz anderes. Ich wünsche es keinem von euch.
Es waren zwei Minuten in Sichuan, 120 Sekunden, die sehr lange gedauert haben. In diesen zwei Minuten sind über 70000 Menschen gestorben, fast 400000 Menschen zum Teil schwer verletzt worden sind, Millionen Häuser wurden zerstört und 15 Millionen Menschen ( das sind mehr Menschen als einige europäische Länder Einwohner haben ) haben alles verloren und sind obdachlos geworden.
Man darf aber auch nicht nur an die Menschen und Opfer denken. Die Region Sichuan ist zerstört, es war für Touristen ein Paradies hier. Erst in diesem Jahr die Tibetkrise, die etliche Touristen gekostet hat und jetzt das große Beben...
...alles in Allem eine große Tragödie....